Die Geschichte der Stadt Eldagsen




Stich



Eldagsens Lage im südlichen Teil der fruchtbaren Calenberger Lößbörde an einer uralten, von Osten kommenden Fernstraße in Richtung der heutigen Orte Springe und Coppenbrügge veranlaßte 775 Karl den Großen, der von Süden her in das Gebiet der Sachsen vorgedrungen war, in Eildagessen (Eldagsen) im ostfälischen Guddinggau eine Holzkirche erbauen zu lassen.

Zehn Jahre darauf, nach der Taufe des Sachsenherzogs Wittekind, wurde zur Zeit des Missionsbischofs Willehad unter Karl dem Großen ein großer fünfeckiger Zentralbau begonnen, der sehr wahrscheinlich als Bischofskirche gedacht war, jedoch nie vollendet wurde. Damals bestand der Ort nur aus wenigen Höfen, war aber schon Sitz eines Gogerichtes unter freiem Himmel auf dem Sichter.



Basilika



Seit dem 10. Jahrhundert errichteten adelige Großgrundherren im südwestlichen Niedersachsen Höhenburgen, um ihre Territorialmacht zu festigen. Anfang des 13. Jahrhunderts setzten sich in diesem Gebiet die Grafen von Hallermunt fest und bauten ihre Grafschaft auf öffentlichen und grundherrschaftlichen Rechten und Besitzen auf. Die Bedeutung dieses Geschlechtes läßt sich daran ermessen, daß wahrscheinlich die vier Goe Pattensen, Gestorf, Eldagsen und Auf der Hamel zu ihrem Territorium gehörten.

Die Stadt Eldagsen erhielt von den Grafen von Hallermunt ihre städtischen Gerechtsame und Gerichtsbarkeit sowie ihr Wappen: eine weiße Rose im goldenen Felde.



Stadtwappen



Im Zentrum der damaligen Haupt- und Residenzstadt der Grafen von Hallermunt lag das Schloß dieses Geschlechts, welches wahrscheinlich bereits früher erbaut worden war und von diesen Grafen lediglich übernommen wurde. Im Jahre 1435 schließlich wurde das Schloß nach langer und mühsamer Belagerung durch Herzog Wilhelm den Sieghaften und seine Vettern im Auftrag der großen Städte des Landes erobert und zerstört. Ein Jahr später starb der letzte Graf von Hallermunt, die Grafschaft fiel dem Fürsten von Calenberg anheim.

Der Ackerbau spielte seinerzeit für Eldagsen eine entscheidende ökonomische Rolle. Mit seinem beachtlichen Absatzgebiet landwirtschaftlicher Produkte bis Hannover, Hildesheim und Springe war Eldagsen ein ausgesprochen zentraler Ort. Dabei ist zu beachten, daß im Süden und Osten Holtensen, Wülfinghausen, Boitzum und Alferde zum Marktbereich Eldagsens gehörten, ebenso wie die acht wüstgewordenen Dörfer im Westen und Norden der Eldagsener Feldmark.

Heute erinnert ein Gedenkstein im Herzen der Stadt an diese zu Eldagsen gehörenden Dörfer. Ihre Namen lauteten:



Wüstungen



Die Namen der erwähnten acht Dörfer werden zum Teil bis zum auslaufenden Mittelalter in Urkunden erwähnt. Dabei werden die Ortsbezeichnungen oft erheblich variiert, wie zum Beispiel bei Harboldessen etwa als Halacboldessun oder Harboldissem. Einige Dörfer wurden bereits mit der steigenden wirtschaftlichen Bedeutung Eldagsens vor 1300 aufgegeben. Die letzten wurden im 14. - 16. Jahrhundert wüst. Lottbergen etwa zählte um 1425 rund 100 Einwohner, die nach Übergriffen räuberischer Soldaten in der Stadt Eldagsen Zuflucht suchten. In der Folge der Aufgabe dieser Orte ergab sich die heutige relative Größe der Eldagsener Flur.

Im frühen 13. Jahrhundert wurde Eldagsen Marktort und erhielt das Stadtrecht von Ludolf II. von Hallermunt, womit es sich um eine der frühesten Städtegründungen in der Region Hannover handelt. Eldagsen wurde ausgebaut und durch eine Stadtmauer mit zwei Toren gesichert. Das Obere Stadttor lag westlich vor der Einmündung der von Wülfinghausen kommenden Klosterstraße und das Untere Stadttor vor der heutigen Gaststätte "Berggarten". Reste der alten Stadtmauer sind an der Einmündung der Triftstraße in die Lange Straße erhalten geblieben. Für das Jahr 1302 ist Eldagsens Ratsverfassung überliefert. Im Jahr 1322 erhielt die Stadt zudem das Münzrecht von Herzog Otto, und bis in das Jahr 1490 wurden auch Münzen geschlagen. Zuletzt gab es Eldagsener Münzen und Scheine in den 1920er Jahren in Form von Notgeld.



Notgeld



Anno 1495 erlaubte Herzog Erich der Ältere von Calenberg der Stadt Eldagsen, einen Bach, welcher zwischen der Eldagsener Feldmark und dem Hallerbruch in die Haller floß, zur Stadt hin umzuleiten, um das Mühlenwasser zu verbessern - der Neue Gehlenbach entstand. Im folgenden trieb der Bach sieben Mühlen an: die Holzmühle, Kerstings Senfmühle, Wilkendings Lohgerbermühle, die Lindenbergsche Mühle am Mühlenbrink, die von Wedemeyersche Mühle am Zusammenfluß von Wöhl- und Gehlenbach, die Fronleichnamsmühle und die Nonnenmühle. In ihnen wurden Getreide und andere Rohstoffe auch aus den umliegenden Dörfern verarbeitet.


Mühlen



Neben Mißernten und Seuchen machten Eldagsen auch Feuersbrünste immer wieder zu schaffen, insbesondere in den Jahren 1469, 1508, 1676, 1684, 1742 und 1770 verheerten Großbrände die Stadt. Rückschläge bedeuteten auch Plünderungen durch einfallende Heere, wie etwa 1470 die Einnahme der Stadt durch die Grafen von Schaumburg, die Grafen von der Lippe, den Bischof zu Hildesheim und den Bischof von Paderborn.


Feuerwache



1519 fielen der Bischof von Hildesheim, der Herzog von Lüneburg und die Grafen von Schaumburg, Hoya und Diepholz in das Land zwischen Deister und Leine ein; die Stadt Eldagsen allerdings entging durch Zahlung mehrerer tausend Gulden der Brandschatzung. Diese Verschonung war daraufhin auch einer der Anlässe für die Einwohner jener heutigen acht Wüstungen, ihre völlig zerstörten Dörfer zu verlassen und sich westlich und östlich unmittelbar vor der Stadt anzusiedeln, woraus dann die Bezeichnungen Oberdorf und Unterdorf für diese beiden neuen Stadtteile resultierte.


Lage des Unteren Stadttors



1553 fielen die Kriegsvölker Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel in Eldagsen ein, plünderten es und setzen mehrere Häuser in Brand. 1626 überfiel unter Führung des Obristen Planckhardt Kriegsvolk der Katholischen Liga die Stadt, plünderte sie aus und zündete sie an allen Ecken gleichzeitig an. Sie brannte binnen anderthalb Stunden nieder. Auch die seit 1543 protestantische Kirche Sankt Alexandri wurde stark beschädigt. Dieser Überfall war ein Racheakt, nachdem im Vorjahr ein Streifcorps unter jenem Oberst von Eldagsern überwältigt und Planckhardt in der Stadt gefangengesetzt worden war. Schriftbalken der Schuhmacherherberge erinnerten an die Niederbrennung der Stadt. Nach dem Abbruch des damals nach der Kirche ältesten Gebäudes im Jahre 1963 im Rahmen der Begradigung und Verbreiterung der Langen Straße wurden diese Balken geborgen und befinden sich heute in der Grundschule Hallermunt.


Schusterherberge



Neben dem Ackerbau dominierte in Eldagsen auch das Handwerk. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, bedingt durch die Auflösung der Zünfte in den Städten, siedelten sich Handwerker zunehmend in ländlichen Gebieten an. Von diesen historischen Umwälzungen war auch Eldagsen betroffen. Hier hatte sich eine eigene Schuhmachergilde gebildet, und 1840 zählte man in dieser Stadt 43 Schuhmacherbetriebe. Die 1810 eingeführte Gewerbefreiheit ließ darüber hinaus ein breites Spektrum an handwerklichen Produktionsstätten entstehen, wovon zum Beispiel der "Rezeß über die Spezial-Teilung der Gemeinheiten und über die Verkoppelung der Feldmark vor der Stadt Eldagsen" von 1850 Zeugnis gibt.


Pferdemäher



1832 ergab eine Untersuchung im Auftrag des Magistrats "nicht unbedeutende Salztheile" einer Quelle im Südosten der Stadt. Mit dem Aufbau der Saline "Süd-Eldagsen" im Rambeeks-Anger wurde 1834 begonnen und noch im selben Jahr das erste Kochsalz gewonnen. Betreiber war eine Aktiengesellschaft, der anfangs 28 Bürger angehörten. In den Folgejahren wurden im Bereich des heutigen Freibades größere Salinengebäude errichtet und Brunnen gebohrt. Allerdings muß sich der Betrieb später doch als unrentabel erwiesen haben, denn 1848 sollte sie verkauft werden und sechs Jahre später war die Saline bereits abgebrochen. Ein ebenfalls im Raum Eldagsen-Holtensen gelegener Schwefelbrunnen wird im Jahre 1845 erwähnt, aufgrund dessen ein Heilbad mit den erforderlichen Anlagen betrieben wurde: berichtet wird von einem Badehaus mit Nebengebäuden und einem Lustgarten. 1895 soll die Schwefelwasserquelle jedoch wieder eingegangen sein.

Die Annexion Hannovers durch Preußen 1866 traf die Einwohner der Stadt Eldagsen als treue Anhänger des hannoverschen Königshauses schwer. Die königliche Familie weilte häufig im Jagdschloß und besuchte dabei auch Eldagsen. Zum Gedenken an die zuvor siegreiche Schlacht bei Langensalza (Thüringen) am 27. Juni wurde daher ein Denkmal errichtet. Dabei konnte das Verbot der preußischen Verwaltung hinsichtlich einer Errichtung auf öffentlichen Plätzen dadurch umgangen werden, daß der Gutsbesitzer von Jeinsen von seinem Grundstück an der Langen Straße hierfür 66 qm zur Verfügung stellte.



Langensalzadenkmal



Bereits früh wurde Eldagsen mit Strom versorgt, so daß die Stadt schon im Jahr 1900 auf elektrische Straßenbeleuchtung umstellte. Dies erfolgte ebenso auf Initiative des Eldagsener Landwirts und Politikers Heinrich Holzgrefe, wie er sich auch um die Rückverlegung des durch die Stadt verlaufenden Gehlenbach-Armes und die Teilkanalisation der Oberstadt 1906 sowie die 1910 fertiggestellte Centralwasserversorgungsanlage verdient machte. Im selben Jahr betrieb er zudem auf der Bleiche die Anlegung eines Freibades.


Langensalzadenkmal



Den kolportierten 99 Schustern, für die Eldagsen unter anderem bekannt ist, kommen die heute noch dokumentierten Zahlen überaus nahe. Für das Jahr 1861 etwa sind bereits 81 Eldagsener Schuhmacher verzeichnet. Im Jahr 1900 führen diese noch immer die Eldagsener Handwerker als zahlenmäßig größte Gruppe mit 70 Meistern, 13 Gesellen und zwölf Lehrlingen an. Und für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg konnten vom Arbeitskreis Stadtgeschichte Eldagsen immerhin noch 75 Namen samt Anschrift nachgewiesen werden - verteilt über 39 selbständige Meisterbetriebe, 16 Schuhmachergesellen bei der Firma Hundertpfund, 17 Flickschuster und drei Steppereibetriebe.


Schusterwerkstatt Lauenstein



Neben der Bezeichnung als Honigkuchenstadt, bedingt durch die Erzeugnisse der Honigkuchenbäckereien "H.-C. Thiele" am Mühlenbrink und "Christian-Wilhelm Thiele" an der Langen Straße / Ecke Marktstraße, war Eldagsen auch für seinen Senf bekannt: der Tafelsenf der Firmen "Bertram-Katz-Kersting" und "Bremeyer" ging über die Grenzen der Provinz Hannover hinaus ins deutsche Land.


Senfmühle



Mit dem Einsetzen der Industrialisierung begann der Stern der Stadt Eldagsen jedoch zu sinken. Trotz frühzeitiger Versuche gelang es der Stadt nicht, einen Bahnanschluß im Ort selbst zu bekommen; stattdessen wurde der Bahnhof Eldagsen zwar mit städtischen Mitteln finanziert, aber vor den Toren des benachbarten Dorfes Völksen errichtet. Im Dritten Reich erfolgte auf Veranlassung des Reichsjägermeisters 1935 die Umbenennung in "Eldagsen-Völksen", welche 2006 in "Völksen-Eldagsen" verkehrt wurde.


Postbusse



Dies hatte zur Folge, daß sich nach Eröffnung der Bahnstrecke Hannover-Hameln im Jahre 1872 Industriebetriebe vornehmlich in Springe ansiedelten, während die Stadt Eldagsen ins Hintertreffen geriet, zumal sich die traditionellen kleinen Handwerksbetriebe, zumeist Familienbetriebe, nicht schnell genug anzupassen vermochten. So geschah es, daß die insbesondere für ihr Schuhmacherhandwerk, Senf und Honigkuchen berühmt gewordene Stadt Eldagsen, die stets größer gewesen war als das benachbarte Springe, einwohnerzahlmäßig von ihrer Nachbarstadt überholt wurde.

Infolge dieser Entwicklung kam es schließlich, daß Eldagsen im Zuge der Gebietsreform im Jahre 1974 als einzige Stadt im Raum Hannover ihre Eigenständigkeit verlor und dem neuentstandenen Stadtgebiet Springe zugeschlagen wurde.




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